Schulalltag
Interview – 100 Tage Referendariat an einer beruflichen Schule
Herr Heger, Sie sind seit Januar 2023 im Referendariat für die Fächer Deutsch und Geschichte/Gemeinschaftskunde. War der Lehrerberuf schon immer Ihr Traumberuf und wie ist in Ihnen die Entscheidung gereift Lehrer werden zu wollen?
Tatsächlich nicht. Lange Zeit wusste ich vor allem, was ich beruflich auf keinen Fall machen möchte: Einen monotonen Bürojob.
Durch Ausprobieren in verschiedenen Bereichen – vom Freiwilligendienst in einem Obdachlosenheim bis hin zu einem Ausflug in den Journalismus – habe ich festgestellt: Die Momente, in denen ich im Berufsalltag direkt mit Menschen zu tun hatte, waren die aufregendsten und abwechslungsreichsten. Bei der Arbeit mit Jugendlichen gilt das einmal mehr.
Dass der Lehrberuf traumhaft sein kann, wurde mir erst jetzt im Referendariat so richtig bewusst: Junge Menschen für die Themen zu begeistern, die mich selbst begeistern, was gibt es Besseres?
Wie sind Sie an Ihrer Schule aufgenommen worden?
Mein Einstand war durchweg positiv. An der Schule habe ich als Referendar zwei Mentoren, die mir bei der Orientierung geholfen haben und es immer noch tun. In einem Kollegium von über 70 Menschen zwei feste Ansprechpartner zu haben, erleichtert das Ankommen ungemein.
Man liest häufig in Berichten, dass die Ausbildung bzw. die Zeit des Referendariats sehr anspruchsvoll und intensiv ist. Wie sind Ihre Erfahrungen bisher?
Der Wechsel vom Studium ins Referendariat bedeutet auf jeden Fall eine gewaltige Umstellung. Zwar habe ich schon während meines Studiums die längste Zeit gearbeitet – allerdings selbstständig. Ich war also mein eigener Chef und dabei in meiner Zeiteinteilung sehr viel freier. Damit ist nun Schluss – die Schulzeiten gelten schließlich auch für Lehrer (lacht).
Angekommen im Referendariat gelten für mich plötzlich eine Vielzahl an neuen (Spiel-)Regeln – angefangen von didaktischen Prinzipien bei der Unterrichtsplanung bis hin zum Beamtenrecht. All die zu beachten und mir gleichzeitig die Spontanität und Leichtigkeit zu erhalten, die es trotzdem ganz dringend für guten Unterricht braucht – ja, das ist manchmal anstrengend.
Sie sind an einer gewerblich-technischen Berufsschule. Ihre SchülerInnen sind Jugendliche bzw. junge Erwachsene. Was macht diese Schülerklientel aus?
Ich muss immer wieder an die Redewendung „harte Schale, weicher Kern“ denken. Ich habe den Eindruck: Viele Schülerinnen und Schüler, gerade aus unseren Berufsschul-Klassen, die berufsbegleitend unterrichtet werden, haben schnell gelernt, sich im bisweilen ruppigen Alltag des Handwerksbetriebs zu behaupten. Diese Erfahrung spiegelt sich immer wieder auch im Klassenzimmer. Und gleichzeitig beobachte ich in einem Fach wie Deutsch: Hinter so mancher „harten Schale“ steckt ein junger Mensch mit großem Einfühlungsvermögen, mit Spaß am Künstlerischen, an Gedankenspielen oder der Literatur. Ich werde von vielen meiner Schüler immer wieder aufs Neue überrascht.
Wie würden Sie den Lehrer David Heger in drei Schlagworten beschreiben?
begeistert, begeisternd und dabei – hoffentlich – humorvoll
Was können Sie jungen Menschen mitgeben, die sich überlegen Lehramt zu studieren bzw. schon im Studium sind?
Das hat wenig mit dem späteren Job als Lehrerin oder Lehrer zu tun – und vielleicht ist gerade das auch gut so. Ihr bekommt im Studium einzig und alleine das Handwerkszeug zum Wissenschaftler mit – dazu, wie ihr die Wissenschaft für eure Schülerinnen und Schüler übersetzt, schweigen die allermeisten Vorlesungen. Kümmert euch selbst drum – ihr habt die Freiheit, auf welchem Weg: Als Jugendbetreuer im Verein? Als Nachhilfelehrer? Als Coach für neu angekommene Geflüchtete? Es gibt da draußen jede Menge Lernmöglichkeiten – findet eure.
Sie kommen aus dem Landkreis Karlsruhe. Wie wichtig ist es Ihnen, auch dort zu unterrichten?
Sehr wichtig. Ich bin ein ortsverbundener Mensch, aktiv in jeder Menge Vereinen, kenne die Region und ihre Menschen gut. Ich habe hier meinen Freundes- und Bekanntenkreis. Klar verstehe ich, dass das Referendariat ähnlich wie ein Studium eine Chance sein kann, nach einem Umzug ein ganz neues Umfeld kennen zu lernen. Mir war nicht danach – dafür laufe ich wohl einfach zu gerne durch’s Kraichgau spazieren.
Wie schaffen Sie den Ausgleich zum Referendariat? Haben Sie spezielle Hobbies?
Auf jeden Fall, es ist immer wichtig, einen Ausgleich zu haben, etwas anderes zu sehen. Ich spiele für’s Leben gern Theater, vor allem Improvisationstheater. Dabei gilt vor allem eine Regel: Sich auf das einzulassen, was kommt – also gar kein so großer Unterschied zum Alltag in der Schule.
Gerade bin ich daneben mit Imkern beschäftigt, pünktlich zum Frühjahr beginnt die Arbeit an den Bienenvölkern. Das Zusammenspiel von Jahreszeiten und den Bienen aus nächster Nähe beobachten zu können ist ein faszinierendes Gefühl – wenn nur die Stiche nicht wären!
Zum Abschluss: Was waren Ihre bisherigen Erfahrungen in den ersten 100 Tagen? Was macht den Job so besonders?
Die ersten 100 Tage haben mich darin bestätigt, wie richtig ich mit meiner Berufswahl liege: Denn zum langweiligen Bürojob, den ich nie haben wollte, ist die Arbeit als Referendar und späterer Lehrer das genaue Gegenteil.
Was mich persönlich immer noch verblüfft und mir vor meinem Referendariat nicht klar war: Wie viel Handwerk und Erfahrung es für guten Unterricht braucht – und was beim Unterrichten so alles anders als geplant laufen kann. Genau diese Momente begeistern mich am meisten: Nicht zu wissen, was kommt – aber das Beste draus zu machen.